Betreff: Aufruf zur Beteiligung: Veröffentlichung von Briefen verschiedener Fraktionen und der Kultusministerin

Ich hoffe, dieser Newsletter erreicht Sie bei bester Gesundheit und guter Laune.

Wie im letzten Newsletter angekündigt, möchten wir Ihnen heute die Gelegenheit geben, die Briefe zu lesen, die wir von verschiedenen politischen Fraktionen und der Kultusministerin erhalten haben. Ihre Rückmeldungen sind entscheidend, da wir diese Briefe vor der Sommerpause beantworten möchten.

Brief der Grünen Fraktion:

Wir präsentieren Ihnen den Brief von Theresia Bauer, der Kultusministerin und Landtagsabgeordneten der Grünen Fraktion. In ihrem Schreiben äußert sie sich ausführlich zu den Fragen und Anliegen, die wir im Namen des Arbeitskreises Bildung formuliert haben. Wir laden Sie herzlich ein, uns Ihre Reaktionen, Gedanken und Anregungen zu diesem Brief mitzuteilen. Bitte senden Sie Ihre Rückmeldungen bis zum 21. Juli 2023 per E-Mail an info@tang-ev.de. Ihre Meinungen werden in unsere offizielle Antwort an die Grüne Fraktion einfließen.

Hier ist der Brief der Grünen Fraktion:

„Sehr geehrte Frau Dr. Nantcha,

vielen Dank für Ihre Nachricht an die Abgeordneten der Grünen Landtagsfraktion, auf den ich Ihnen stellvertretend für den Arbeitskreis Bildung gerne antworte. Bitte entschuldigen Sie die späte Rückmeldung.

Zunächst möchte ich Ihnen für die Kritik und Ihre Einbringung in die gesellschaftliche Debatte danken. Die Frage, wie wir eine angemessene Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen in der Schule ermöglichen, ist komplex und daher zurecht Gegenstand einer öffentlichen Debatte.

Ich bin überzeugt, dass wir uns als Gesellschaft mit den Missständen, die in unserer Welt existieren, auseinandersetzen müssen. Dies gilt auch und obwohl damit Zumutungen wie die Beschäftigung mit gewaltvollen Taten und Strukturen, wie Sexismus und Rassismus, einhergehen. Einen besonders kraftvollen Zugang der Auseinandersetzung bietet epische Literatur, da sie eine emotionale Vergegenwärtigung ermöglicht. Damit gehen Chancen und Belastungen einher. Insbesondere müssen die verwendete Sprache und die dargestellten Inhalte kritisch reflektiert und eingeordnet werden. Je älter Schülerinnen und Schüler sind, desto stärker kann uns muss ihnen diese Reflexionsfähigkeit zugetraut werden. In der gymnasialen Oberstufe ist eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen in ihrer Drastik nötig.

Gleichzeitig besteht in der Arbeit mit Schüler*innen eine besondere Sorgfaltspflicht und die Achtung des Wohlergehens der Schüler*innen ist eine zentrale pädagogische Aufgabe. Deshalb ist die Frage, welche Zumutungen im Rahmen der Behandlung von Pflichtlektüren vertretbar und welche unangemessen sind, nicht leicht zu beantworten und zu Recht Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses. Das gilt insbesondere in einer diverser werdenden Gesellschaft, in der Schüler*innen mit unterschiedlichsten Vorerfahrungen gemeinsam in einer Klasse sitzen.

Tauben im Gras zählt zu den zentralen Werken der sogenannten Trümmerliteratur und besitzt als solches eine literarische Qualität. Jedoch transportiert das Werk rassistische Sprache und rassistische Stereotype, auch wenn die Schwarzen Charaktere im Buch nicht diesen Stereotypen entsprechend handeln und der Rassismus der Nachkriegszeit durch das Werk eher angeprangert wird. Ob eine angemessene Auseinandersetzung im oben dargestellten Sinne mit dem im Werk transportierten Rassismus im Klassenkontext möglich ist, ist sicherlich diskutabel. Das gilt insbesondere, da sich das Werk im Unterricht schwerpunktmäßig mit einer ganz anderen Frage befassen soll – nämlich vergleichend damit, wie sich große gesellschaftliche Umbrüche in der Literatur niederschlagen. Rassismuskritische Befassung von Literatur verlangt aber eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Es ist zu komplex, um eine Vorbemerkung zu sein, bevor man zum „eigentlichen Stoff“ übergeht.

Deshalb begrüße ich, dass das Kultusministerium mit der Bereitstellung einer Alternativlektüre („Transit“ von Anna Seghers) als Wahloption ab dem Abiturjahrgang 2025 pragmatisch und schnellstmöglich reagiert. Die Wahlmöglichkeit wird bereits für den Jahrgang, der in diesem Sommer in die zweijährige Kursstufe startet, bestehen. Dass eine vergleichbare Lösung für den Abiturjahrgang 2024 nicht möglich ist, ist sehr bedauerlich, jedoch aufgrund der notwendigen Sicherstellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Schüler*innen des Abiturjahrgangs 2024 nachvollziehbar – in Teilen haben Schüler*innen dieses Jahrgangs das Buch bereits behandelt.

Rassismus prägt unsere Gesellschaft mit unzähligen strukturellen und individuellen Auswirkungen. Eine Auseinandersetzung damit kann nicht im Vorübergehen erfolgen. Vielmehr muss die Bewusstmachung rassistischer Strukturen im heutigen Alltag und deren Auswirkungen auf Betroffene verstärkt Lerninhalt werden. Lehrkräfte müssen hierzu in Aus- und Fortbildung befähigt und in die Verantwortung genommen werden. Insbesondere müssen verstärkt Texte behandelt werden, die von Betroffenen aus ihrer Perspektive verfasst sind. Ebenso muss sich die Kommission, die Pflichtlektüren auswählt, stärker mit der Vielfalt unserer Gesellschaft befassen – bis hin zur Zusammensetzung des Gremiums.

Darüber hinaus enthält auch der von Grünen und CDU geschlossene Koalitionsvertrag verschiedene Maßnahmen, um Antirassismus und Antidiskriminierung an Schulen zu stärken. Auch hier gilt es, an einer kontinuierlichen Umsetzung zu arbeiten.

Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen und Anregungen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Theresia Bauer MdL

Für die Grüne Fraktion“

Brief der SPD-Fraktion:

Des Weiteren haben wir einen Brief von Andreas Stoch, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Landtag, erhalten. In diesem Schreiben werden aktuelle bildungspolitische Themen und Herausforderungen diskutiert. Wir sind gespannt auf Ihre Meinungen, Ansichten und Vorschläge zu diesem Brief. Bitte teilen Sie uns Ihre Gedanken bis zum 21. Juli 2023 per E-Mail an info@tang-ev.de mit. Ihre Rückmeldungen werden dazu beitragen, unsere Antwort an die SPD-Fraktion zu gestalten.

Hier ist der Brief der SPD Fraktion:

„Sehr geehrte Frau Dr. Nantcha,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht an die Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion und antworte Ihnen als Vorsitzender der SPD-Fraktion auch stellvertretend für meine Kolleg:innen. Bitte nehmen Sie meine Antwort auch als Zeichen dafür, wie wichtig uns als Fraktion der Kampf gegen Rassismus ist. Die Verwendung des Buches „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppen als Pflichtlektüre für das Deutsch-Abitur an beruflichen Gymnasien war meiner und unserer Meinung als Fraktion nach kein hilfreicher Schritt im Kampf gegen den Alltagsrassismus. Deswegen teilen wir die in der TANG-Stellungnahme mitgeteilten Positionen vollumfänglich. Auch die SPD-Landtagsfraktion ist der Meinung, das Buch sollte nicht Pflichtlektüre für das Abitur sein und es sollte alles getan werden, der Verharmlosung von Rassismus durch Verwendung des N-Wortes entgegenzuwirken. Vielen Dank auch für die Unterlagen und Gutachten, die Sie Ihrer Mail angehängt haben. Wer über die uns eigentlich selbstverständlich erscheinende Haltung  gegen das Buch als Pflichtlektüre Material benötigt, findet hierin erstklassige Anleihen für die Argumentation. Zur Absage an das Buch als Pflichtlektüre habe ich mich auch bereits gegenüber dem SWR geäußert. Den Link füge ich Ihnen hier an: SWR Aktuell https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tauben-im-gras-bleibt-abitur-stoff-100.html
Wir hielten es zudem für angebracht, wenn das Ministerium in Person der Ministerin ein Zeichen senden würde, dass die Auswahl dieses Buches ein Fehler war und sie eine Reform der Abläufe und Prozesse innerhalb der Kultusverwaltung angehen würde. Das können wir bisher noch nicht erkennen. Aber es ist offensichtlich geworden, dass der in der letzten Legislaturperiode begonnene Umbau der Kultusverwaltung zwar zu einem größeren Apparat geführt hat, aber nicht zu einer besseren Berücksichtigung aller Facetten unserer sich stark verändernden und sehr heterogenen Gesellschaft. Wir Gefahr laufen, dass sich immer mehr Schüler:innen nicht mehr gesehen und eventuell nicht mehr zugehörig fühlen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Stoch MdL
Fraktionsvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg“

Brief der FDP-Fraktion:

Dennis Birnstock MdL, Mitglied im Petitionsausschuss von Baden-Württemberg, hat uns ebenfalls einen Brief im Namen der FDP-Fraktion zukommen lassen. In diesem Schreiben werden bildungspolitische Fragen erörtert und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Wir sind sehr interessiert an Ihren Reaktionen und bitten Sie, uns Ihre Gedanken bis zum 21. Juli 2023 per E-Mail an info@tang-ev.de zukommen zu lassen. Ihre Rückmeldungen werden bei unserer Antwort an die FDP-Fraktion berücksichtigt.

Hier ist der Brief der FDP-Fraktion:

„Sehr geehrte Frau Dr. Nantcha,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 16. Mai 2023, in der Sie auf die Pflichtlektüre “Tauben im Gras” eingehen. Auch ich spreche mich ganz klar gegen Rassismus aus und bin der Meinung, dass man mit diesem Thema sensibel umgehen muss. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass wir Begriffe immer in ihrem Kontext sehen und verstehen müssen. Daher sehe ich es kritisch Begrifflichkeiten komplett aus der Sprache zu streichen. Denn verwendet werden sie im Nichtöffentlich dann doch noch, aber es kann keine Aufklärung und kein Diskurs mehr mit und über die Begriffe stattfinden. Zu der von Ihnen genannten laufenden Petition kann ich mich im Moment jedoch nicht weiter äußern, da ich selbst Mitglied im Petitionsausschuss bin und die dortige nichtöffentliche Beratung abwarten muss.

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Birnstock MdL

Mitglied der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg

Mitglied im Petitionsausschuss“

Antwort der Kultusministerin:  .

Wir freuen uns, Ihnen die ausführliche Antwort von Theresia Bauer, der Kultusministerin von Baden-Württemberg, präsentieren zu können. In ihrem Schreiben geht sie auf unsere Fragen und Anliegen ein und gibt ihre Standpunkte wieder. Wir möchten Ihre Meinung zu ihrer Antwort hören und bitten Sie, uns Ihre Reaktionen bis zum 21. Juli 2023 per E-Mail an info@tang-ev.de mitzuteilen. Ihre Rückmeldungen werden bei unserer weiteren Kommunikation mit der Kultusministerin berücksichtigt.

Hier ist der Brief der Kultusministerin:

Grünkreuz Nr. 20230114 Stellungnahme zum Reader und zum Kompromissvorschlag der Ministerin (SWR)Tauben im Gras – Ihr Schreiben vom 29.05.2023

„Sehr geehrte Frau Dr. Nantcha,

ich danke Ihnen für Ihre Mail vom 29. April sowie die übermittelten Stellungnahmen und freue mich, dass unser Kompromissvorschlag auf eine positive Resonanz bei Ihnen stößt. Dieser Kompromissvorschlag bietet Raum für die Schulen, die Argumente abzuwägen, die im Diskurs um „Tauben im Gras” vorgebracht und ausgetauscht werden.

In Hinblick auf den Umgang mit dem N-Wort vertritt das Kultusministerium eine klare Position: Eine herabsetzende und diskriminierende Sprache hat im zwischenmenschlichen Umgang keinen Platz, weder auf den Schulhöfen noch in den Klassenzimmern. Es gehört zur Wertebildung junger Menschen, dass wir sie in der Schule an einen empathischen Umgang mit Sprache heranführen, der die Würde anderer Menschen achtet bzw. Diskriminierung vermeidet. Zu den Aufgaben aller Lehrkräfte gehört es, bei menschenfeindlichen oder rassistischen Äußerungen angemessen und entschieden zu intervenieren.

In Bezug auf die Verwendung des N-Wortes und anderer rassistischer Bezeichnungen in Schulbuchtexten und literarischen Werken verweise ich Sie auf einen Kriterienkatalog, den das Kultusministerium als Grundlage für die Sensibilisierung und Orientierung im Unterricht und in der Fortbildung plant. Wir werden dabei BIPoC-lnteressenvertretungen einbeziehen und sehen darin einen wichtigen Schritt, unsere Zusammenarbeit zu intensivieren und zu verstetigen. Ich würde mich über Ihre Bereitschaft freuen, die Perspektive und Expertise des Bundesnetzwerks TANG e.V. in diese Kooperation einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen

Theresa Schopper

Kultusministerien von Baden-Württemberg“

Bitte nehmen Sie sich die Zeit, die Briefe sorgfältig zu lesen. Es ist uns wichtig, Ihre Stimme in diesen wichtigen Diskussionen zu hören. Ihre Meinungen und Anregungen sind von unschätzbarem Wert und werden bei unseren Antworten an die verschiedenen Fraktionen und die Kultusministerin berücksichtigt.

Bei Fragen oder Anregungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sie können uns per E-Mail oder telefonisch kontaktieren.

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen bis zum 21. Juli per E-Mail an  info@tang-ev.de .