Chancenaufenthaltgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte heute ein Thema ansprechen, das für viele Menschen in Deutschland von großer Bedeutung ist, jedoch oft nicht ausreichend Beachtung findet: das Chancenaufenthalt-Gesetz. Als Vertreterin einer Organisation, die sich für die Integration und die Verbesserung der Lebensbedingungen von Geduldeten und Geflüchteten in Deutschland engagiert, liegt mir dieses Thema besonders am Herzen. Aus diesem Grund möchte ich Sie über diese wichtige Gesetzesänderung informieren und einen dringenden Appell an alle richten, die Kontakt zu Geduldeten haben, diese Informationen weiterzugeben.

Mehr als 130.000 Menschen in Deutschland haben das Recht, das Chancenaufenthalt-Gesetz in Anspruch zu nehmen. Dieses Gesetz ermöglicht eine Aufenthaltserlaubnis von 18 Monaten, während derer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Diese Chance sollte genutzt werden, denn bisher haben nur etwa 25.000 Menschen einen Antrag gestellt. Das bedeutet, dass viele Menschen, die dieses Recht haben, es noch nicht genutzt haben.

Wichtige Informationen zum Chancenaufenthalt-Gesetz:

1. Wer kann das Chancenaufenthaltsrecht erhalten? Um das Chancenaufenthaltsrecht zu erhalten, muss die betreffende Person geduldet sein und seit dem 31.10.2017 in Deutschland ohne Unterbrechung fünf Jahre mit Duldung, Gestattung oder Aufenthaltserlaubnis gelebt haben. Auch Zeiten mit einer “Duldung light” werden angerechnet. Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist ebenfalls erforderlich. Nachweise über die Sicherung des Lebensunterhalts, einen Pass oder eine nachgewiesene Identität oder Staatsangehörigkeit sind nicht notwendig.

2. Wer ist ausgeschlossen? Personen, die zu Haftstrafen oder Geldstrafen über 50 Tagessätzen verurteilt wurden, sowie Personen, die wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht haben und dadurch Abschiebungen verhindert haben, sind ausgeschlossen. Wichtig ist zu beachten, dass Jugendarrest und andere Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht nicht zur Versagung des Chancenaufenthaltsrechts führen.

3. Gilt das Chancenaufenthaltsrecht auch für Familienmitglieder? Ja, Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner*innen sowie minderjährige Kinder, die mit Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben, können ebenfalls ein Chancenaufenthaltsrecht erhalten, selbst wenn sie selbst noch keine fünf Jahre in Deutschland leben. Volljährige ledige Kinder können das Chancenaufenthaltsrecht erhalten, wenn sie bei der Einreise minderjährig waren und weiterhin im selben Haushalt mit der stammberechtigten Person leben.

4. Welchen Status erhalten die Menschen nach dem Chancenaufenthaltsrecht? Personen, die das Chancenaufenthaltsrecht erhalten, bekommen eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit von 18 Monaten. In dieser Zeit ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt, und Auslandsreisen sind möglich, sofern ein gültiger Pass vorhanden ist.

5. Was müssen die Menschen in den 18 Monaten tun, um eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten? Um über die 18 Monate hinaus eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten, sollten Betroffene die Zeit nutzen, um die Voraussetzungen für Bleiberechtsregelungen zu erfüllen. Hierzu gehören ausreichende Deutschkenntnisse auf mündlichem A2-Niveau, die überwiegende eigene finanzielle Absicherung durch Erwerbstätigkeit und die Klärung der eigenen Identität.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Chancenaufenthalt-Gesetz eine wertvolle Möglichkeit für Geduldete in Deutschland darstellt, langfristige Perspektiven aufzubauen. Dennoch ist es entscheidend, dass die Betroffenen die erforderlichen Schritte unternehmen, um ihre Situation zu verbessern.

Wie können wir unterstützen? Wir möchten, dass unsere Mitgliedsvereine bundesweit und Kommunen bundesweit sowie alle Personen, die Kontakt zu Geduldeten haben, diese Informationen weiterverbreiten. Viele Menschen stellen keine Anträge, weil sie nicht ausreichend informiert sind. Wir appellieren an Sie alle, als Multiplikatoren zu fungieren und Menschen in Ihrer Umgebung über ihre Rechte aufzuklären.

Arbeitgeberinnen können ihre Mitarbeiterinnen bei der Erfüllung der Voraussetzungen unterstützen, indem sie auf das Chancenaufenthaltsrecht hinweisen, Unterstützung anbieten und die erforderlichen Behördengänge ermöglichen. Gute Arbeitsbedingungen wie unbefristete Arbeitsverträge und angemessene Bezahlung können ebenfalls dazu beitragen.

Es liegt in unserer aller Verantwortung, dazu beizutragen, dass Geduldete in Deutschland ihre Rechte wahrnehmen und ihre Perspektiven verbessern können. Die Beratung und Unterstützung der Betroffenen sind entscheidend, und wir ermutigen Sie, sich an Migrationsberatungsstellen vor Ort oder an Anwaltskanzleien zu wenden, um detaillierte Informationen und Hilfe zu erhalten.

Das Chancenaufenthalt-Gesetz bietet eine Möglichkeit zur Integration und zur Schaffung langfristiger Perspektiven für Geduldete in Deutschland. Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, dass diese Chance genutzt wird und Menschen in unserer Gesellschaft eine stabile Zukunft aufbauen können.