Kein Thema für Afrika? Der neue Asyl- und Migrationspakt der EU

Liebe Mitglieder und FreundInnen von TANG,

Wie sehen die neuen Wege für eine partnerschaftliche und respektvolle Zusammenarbeit mit der EU mit Afrika aus? Was sind die Möglichkeiten der aktuellen EU-Vorschläge zum Asyl- und Migrationspakt?  Und wo liegen die Grenzen? Bei einer hochkarätig besetzten Fachdiskussion der Bertelsmann-Stiftung konnte ich heute, Mittwoch, gemeinsam mit Victoria Rietig, Leiterin des Migrationsprogramms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, und Maximilian Popp, stellvertretender Auslandschefs des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, Position zu diesem brisanten Thema beziehen.

Klar ist: Was aus europäischer Sicht wichtig und drängend sein mag, ist es aus Sicht der afrikanischen Union und der afrikanischen Regierungen noch lange nicht. Das wird bereits bei einem Blick auf die Statistik deutlich: 9.070 Menschen aus Nigeria stellten im vergangenen Jahr in Deutschland einen Antrag auf Asyl, 3.520 Asylanträge wurden von Eritreern gestellt, 3.572 Asylanträge von Menschen, die aus Somalia geflüchtet sind. Der afrikanische Kontinent hat ganze andere Dimensionen. Allein Subsahara-Afrika beherbergt mehr als 6,3 Millionen Flüchtlinge – mehr als ein Viertel aller Flüchtlinge weltweit, mehr als doppelt so viele wie Europa.

Angesichts dieser Zahlen wundert es nicht, dass der neue EU-Migrationspakt (noch) kein Thema in Afrika ist. Weder die Afrikanische Union noch die afrikanischen Regierungen haben bislang Stellung zu den EU-Vorschlägen genommen. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Erstens: Auf der Agenda der Afrikanischen Union und der angesprochenen Regierungen stehen andere Themen. Allen voran die verheerende wirtschaftliche Situation durch globale COVID-19-Pandemie, der drohende Bürgerkrieg in Äthiopien und die sicherheitspolitische Lage in den afrikanischen Regionen. Zudem finden durch den Lockdown derzeit kaum Migrationsbewegungen statt. Die zweite Erklärung, warum das Thema EU-Migrationspakt noch gar nicht in Afrika angekommen ist: Bislang fanden keine Gespräche zwischen der EU und der Afrikanischen Union statt. Eine Partnerschaft setzt aber Dialog voraus. Zusammenarbeit auf Augenhöhe sieht anders aus!

Sollte die EU-Vorschläge zum Asyl- und Migrationspakt ohne Änderungen umgesetzt werden, hätte dies fatale Folgen für die Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen. Viele, die den gefährlichen Weg über die Sahara, Libyen, Marokko und das Mittelmeer wagen, haben keine Papiere. Wie soll binnen fünf Tagen, wie es im EU-Pakt vorgesehen ist, die Identität des Geflüchteten festgestellt werden?  Weil die meisten afrikanischen Länder aus Sicht der Europäischen Union als sichere Herkunftsstaaten gelten, wird über das Schicksal der Geflüchteten in einem Schnellverfahren entschieden. Nach spätestens 12 Wochen soll geklärt werden, ob sie zurückkehren müssen oder nach Europa einreisen dürfen. Was wird mit jenen Menschen, die keine Chance auf ein Leben in Europa erhalten? Bislang gibt es keine Rückübernahmeabkommen zwischen der Europäischen Union und afrikanischen Ländern.

Klar ist: Europa muss sich von seiner restriktiven Visapolitik verabschieden. Europa sollte die Migration nicht verhindern, sondern gestalten. Deshalb brauchen wir mehr Wege für eine legale Migration; für Schutzbedürftige, für die Familienzusammenführung, für Arbeitskräfte (auch für gering Qualifizierte), für Menschen in der Ausbildung und Studierende. Die Wege für eine legale Migration müssen aber nicht nur geschaffen, sondern auch bekannt gemacht werden.

Das Bundesnetzwerk TANG, The African Network of Germany, wird sich in den nächsten Wochen intensiv mit EU-Vorschlägen zum Asyl- und Migrationspakt und den Folgen für den afrikanischen Kontinent beschäftigen.  Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Die Covid-19-Pandemie ist noch nicht ausgestanden. Bitte reduzieren Sie ihre Kontakte! Bitte halten Sie die AHA-L-Regeln ein: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen und regelmäßig lüften!  Mehrsprachige aktuelle und offizielle Informationen zur aktuellen Corona-Lage finden Sie übrigens auch auf der Website der Integrationsbeauftragten https://www.integrationsbeauftragte.de/ib-de/amt-und-person/informationen-zum-coronavirus

Mit freundlichen Grüßen – und bleiben Sie gesund!

Dr. Sylvie Nantcha

Bundesvorsitzende von TANG